Grenzbegehung 2017

Wiesbadener Tagblatt 28.12.2017

Wan­de­rer müs­sen was­ser­dicht sein

FREI­ZEIT Elf Het­ten­hai­ner pfle­gen Tra­di­ti­on der Grenz­be­ge­hun­gen trotz mi­se­ra­blen Wet­ters

Von Thors­ten Stöt­zer

HET­TEN­HAIN . Manch­mal wird die Hei­mat­lie­be auf har­te Pro­ben ge­stellt. Et­wa dann, wenn scheuß­li­cher Schnee­re­gen fällt, We­ge im Schlamm ver­sin­ken und die nas­se Käl­te selbst un­ter die raf­fi­nier­tes­ten An­oraks­tof­fe kriecht. Beim mor­gend­li­chen Blick aus dem Fens­ter ha­ben sich wohl zahl­rei­che Leu­te ent­schlos­sen, dies­mal lie­ber nicht an der tra­di­tio­nel­len Grenz­be­ge­hung in Het­ten­hain teil­zu­neh­men.

Im­mer­hin elf Wan­de­rer bre­chen dann doch auf, ein­ge­la­den hat wie ge­wohnt die ört­li­che Feu­er­wehr. Uli Hof­mann führt die­se Schar an. Wie in den Vor­jah­ren geht es rund sie­ben Ki­lo­me­ter weit zur Horst, zum Ra­ben­kopf, zum Ro­ten Stein und durch die Muhl­mach hi­nab ins Aar­tal zum Al­ten Damm. Über den Rad­weg und vor­bei am Berg­hof mar­schiert die Grup­pe schließ­lich zu­rück ins Feu­er­wehr-Ge­rä­te­haus.

„Bo­xens­topp“ am Ro­ten Stein

Bei 1,5 Grad plus sind bei den „Bo­xens­topps“ am Ro­ten Stein und am Al­ten Damm Glüh­wein und hei­ßer Ap­fel­saft hoch­will­kom­men. Be­reits beim Start ist al­len klar: Der Glüh­wein wird heu­te be­quem für al­le aus­rei­chen ge­nau­so wie die Kar­tof­fel­sup­pe, die für den Ab­schluss am Mit­tag im Ge­rä­te­haus zu­be­rei­tet wird. In­so­fern hal­ten die Het­ten­hai­ner auch bei wid­ri­gen Be­din­gun­gen ihr Brauch­tum auf­recht.

Ei­ner fehlt al­ler­dings für im­mer: Ernst Ju­de ist im No­vem­ber im Al­ter von 73 Jah­ren ge­stor­ben. Jah­re­lang hat er die Grenz­be­ge­hun­gen mit­ge­prägt und span­nen­de und un­ter­halt­sa­me Epi­so­den aus der Dorf­ge­schich­te beige­steu­ert, wie im Vor­jahr noch, als er die Not zur Zeit des 30-jäh­ri­gen Kriegs schil­der­te und den er­folg­rei­chen Pro­test ge­gen ei­ne ge­plan­te Erd­aus­hub-De­po­nie im aus­ge­hen­den 20. Jahr­hun­dert. „Wir ver­mis­sen Ernst sehr“, be­tont Ge­rhard Bie­ler vom Feu­er­wehr­ver­ein, ehe die Wan­de­rer auf­bre­chen. His­to­ri­sches wird die­ses Mal nicht er­zählt, aber ei­ni­ge er­in­nern sich, wo am Ra­ben­kopf bei Wald­fes­ten im­pro­vi­sier­te Toi­let­ten stan­den. Als die­se Stel­le pas­siert wird, liegt dün­ner Schnee im Wald, wäh­rend die We­ge Matsch­pis­ten glei­chen. Auf schma­lem Pfad geht es da­nach über drei Baum­stäm­me.

Der Wald schützt ein we­nig vor dem Wet­ter. Doch der Re­gen bleibt treu, Was­ser strömt in brei­ten Bah­nen zu gro­ßen Pfüt­zen zu­sam­men, wo die Grenz­be­ge­her auf As­phalt-Ab­schnit­te sto­ßen. Be­son­ders un­an­ge­nehm ist es, pa­ral­lel zur Bun­des­stra­ße zum Ro­ten Stein zu lau­fen. Der Wind schiebt dort die Ka­pu­zen von der Stirn und aus den Haa­ren, Schnee­matsch-Klum­pen hän­gen an den Stie­fels­pit­zen.

Oben am Ro­ten Stein wird es sehr hei­me­lig. Un­ter den Äs­ten ei­ner mäch­ti­gen Fich­te ver­sam­meln sich al­le zur er­sten Rast. Die Kin­der sit­zen im ho­hen Gras, sie wer­den mit ih­ren Müt­tern zu­rück­keh­ren nach tap­fe­rem Marsch durch Näs­se und Käl­te. Die an­de­ren neh­men die Spur des al­ten Grenz­ver­laufs wie­der auf, ver­las­sen den weiß verschneiten Park­platz und tau­chen un­ver­dros­sen ein in das näch­ste Wald­stück.